Ausführliche Darstellung der Betrachtungsweise der Katholiken von der Kirche. Nachdem die von Christus bestimmte Zeit zur Geistes Sendung gekommen war, teilte er sich den Aposteln und den übrigen Jüngern mit, als sie vereinigt am nämlichen Orte,
und Eines Gemüthes zugleich, sich ihm entgegensehnten; nicht, während der Eine hier, der Andere dort an irgend einem verborgenen Ort sich aufhielt: ja sie waren ausdrücklich angewiesen (Apg. 1,4) in
Jerusalem versammelt seiner zu harren. Ferner erschien er; er nahm eine äußere Gestalt an, die Form feuriger Zungen, ein Bild seiner, die Herzen von jeglicher Bosheit reinigenden, und darum in Liebe
vereinigenden Kraft; er wollte nicht bloß innerlich kommen, wie wenn er eine unsichtbare Gemeinschaft zu unterhalten gedächte, sondern, gleichwie das Wort Fleisch
geworden war, so kam auch er auf eine den Sinnen zugängliche Weise, und unter mächtigen sinnlich vernehmbaren Bewegungen, gleich einem Sturmwinde. Ist hier die Erfüllung der Einzelnen mit der Kraft von Oben in der Art erfolgt, daß sie nur, insofern sie zugleich eine
Einheit bildeten, derselben teilhaftig wurden, und die Weihe des Geistes unter sinnlichen
Formen stattfand: so sollte auch nach den Anordnungen des Herrn für alle Zeiten die Verbindung des Innern des Menschen mit ihm unter äußeren Bedingungen und in Gemeinschaft mit den Seinigen zugleich erfolgen.
Unter äußeren Bedingungen: denn was sind die Sakramente anders, als sinnliche Zeichen und Zeugen an sie geknüpfter unsichtbarer Gaben? In Gemeinschaft:
da Niemand sich selbst durch den Taufakt heiligt; Jeder vielmehr an Solche angewiesen ist, die der Gemeinde schon angehören. Auch wird Keiner etwa für einen Augenblick nur in Verbindung mit Genossen der Kirche treten, auf so lange nämlich, bis, wie man etwa denken möchte, die heilige Handlung an ihm vollzogen ist; denn die Verbindung wird eingeleitet, damit sie bleibe, und die Gemeinschaft begonnen, damit sie fortgesetzt werde bis zum Lebensende. Die Taufe ist die
Einführung
in die Kirche, die Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen, und verleiht wie die Berechtigung, so auch die Verpflichtung an ihren Leiden und Freuden für immer Anteil zu nehmen. Überdies ist die Verwaltung der Sakramente, wie die des Wortes, vom Herrn an das Apostolat [Apostelamt] gebunden worden und an die durch das Apostolat Beauftragten, so daß alle Gläubigen mittels desselben unauflöslich an die Gemeinschaft gebunden sind und lebendig verknüpft mit ihr. Die Verbindung mit Christus ist hienach stets auch zugleich die Verbindung mit seiner Gemeinde, die innere Einigung mit ihm die Vereinigung mit seiner Kirche. Beide sind unzertrennlich, und Christus in ihr und sie in ihm. (Eph. V. 29. 32.).
Die Kirche kann eben deshalb nach katholischer Betrachtungsweise jenen Teil ihrer Aufgabe, welcher in der Reinerhaltung des Wortes besteht, so wenig als irgend einen andern verfehlen: sie ist
unverirrlich. Da nämlich der einzelne Verehrer Christi durch unauflösliche Bande der Kirche einverleibt ist, durch dieselbe dem Heilande zugeführt wird, und in ihm nur bleibt, insofern er in ihr bleibt, wird
er durch die Kirche in seinem Glauben und seinem Leben bestimmt; er muß ihr sein ganzes Vertrauen schenken, sie also auch dasselbe verdienen. Ihr sich hingebend darf er mithin nicht irre geführt werden: sie
muß irrtumslos sein. Keinem Einzelnen als solchem kommt diese Unverirrlichkeit zu; denn der Katholik faßt den Einzelnen immer nur als Glied des Ganzen auf, als lebend und atmend in ihm, wie aus dem
Bisherigen einleuchtet; in ihrem Geiste fühlend, denkend und wollend ist er also einzig unverirrlich. Würde die Kirche das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen im entgegengesetzten Sinne auffassen und ihn als
Einzelnen unfehlbar denken, so würde sie den Begriff der Gemeinschaft vernichten; denn diese kann nur dann als notwendig begriffen werden, wenn der wahre Glaube und echtes, und tiefes christliches Leben in
der Vereinzelung nicht begriffen werden kann. Mit inniger Verehrung, Liebe und Hingebung umfaßt darum der Katholik die Kirche; dem Gedanken, sich ihr zu widersetzen, ihr zu widerstreben
widersetzt sich eben sein ganzes Inneres, widerstrebt sein tiefstes Wesen, und eine Trennung herbeizuführen, die Einheit zu lösen, ist ihm ein Verbrechen, vor dessen Größe seine Brust erzittert und seine
Seele erbebt. (...) |