Die Hierarchie Noch bleibt nun über die Hierarchie
das Nötige zu sagen. Die Grundanschauung von der Kirche als einer göttlichmenschlichen Anstalt begegnet uns hier aufs Neue in einer sehr sprechenden Form. Hienach wird für das öffentliche Wirken in der
Kirche, für die Verwaltung des Lehramtes und die Ausspendung der Sakramente vor allem ein göttlicher, innerer Beruf und eine höhere Befähigung erfordert, da aber das göttliche und unsichtbare Wesen der
Kirche an eine menschliche, sichtbare Form geknüpft ist, so muß notwendig der von Oben gegebene Beruf unten zuerst erkannt und dann anerkannt werden, und die himmlische Befähigung an eine in die Sinnenwelt
fallende in der äußeren Kirche auszuführenden Aktion gebunden erscheinen: das heißt, die Bevollmächtigung zum öffentlichen kirchlichen Wirken wird durch das Sakrament erteilt, eine äußere, durch Menschen
vollzogene, Inneres und Göttliches teils andeutende, teils vermittelnde Handlung. Die Einführung in eine unsichtbare Kirche fordert nur eine geistige Taufe; die Erhaltung in derselben nur eine innere
Speisung, man kann nicht sagen, mit dem Leibe Christi, weil "Leib" schon an einen äußeren Anfang der Kirche erinnert, sondern mit dem Logos Gottes. Eine unsichtbare Kirche bedarf nur eines innern,
rein geistigen Opfers, und eines allgemeinen Priestertums. Anders verhält es sich mit einer sichtbaren Kirche; diese
verlangt, daß die Feuer und Geistestaufe zugleich eine Wassertaufe sei, und die Seelennahrung, die Christus gewährt, durch eine leibliche anschaulich werde. Auch ist mit ihrem Begriff ein äußeres Opfer notwendig gegeben. Das gleiche Verhältnis hat es nun auch mit der Priesterweihe; die innere und äußere Weihe gehören zusammen, die himmlische und irdische Salbung sind in Eins verbunden. Da der Kirche die Erhaltung der Lehre und Institutionen Christi anvertraut ist, so kann sie nicht einen Jeden, der da sagt, er sei innerlich zum Priester geweiht, sogleich auch schon als solchen verehren; vielmehr, gleichwie er zuvor in dem göttlichen Dogma der Kirche genau und streng unterrichtet und erzogen sein muß, um dasselbe weiter zu pflanzen, so erhält er auch durch dieselbe, durch ihre äußere Weihe die innere von Gott. Die Sichtbarkeit und die damit verbundene Stetigkeit der Kirche erfordern hienach eine von Christus, dem Ausgangspunkte, beginnende, in ununterbrochener Reihenfolge fortdauernde kirchliche Ordination, so daß, gleichwie die Apostel vom Heilande gesendet wurden, auch sie hinwiederum Bischöfe einsetzten, diese sich abermals Nachfolger gaben und so fort bis auf unsere Tage. An dieser vom Heilande ausgegangenen und ununterbrochenen fortgesetzten bischöflichen Reihenfolge wird vorzugsweise, als an einem äußeren Merkmale erkannt, welches die wahre von ihm gestiftete Kirche sei.
Der Episkopat (die Fortsetzung des Apostolates) wird hienach als eine göttliche Institution verehrt; desgleichen nun auch, und eben deshalb, der Einheitspunkt und das Haupt des Episkopates, der
Papst. Soll der Episkopat eine in sich geschlossene, wie innerlich, so auch äußerlich verbundene Einheit bilden, um alle Gläubigen zu einem wahren Gesamtleben, welches die katholische Kirche so dringend
fordert, zu vereinigen, so bedarf er selbst einer Mitte, durch deren Dasein Alle zusammengehalten und fest verknüpft werden. Welche unbeholfene, formlose, zu keiner Gesamtaktion zu vereinigende Masse müßte
nicht die über alle Reiche der Erde, über alle Weltteile verbreitete katholische Kirche sein, wenn sie kein Haupt hätte, keinen obersten Bischof, verehrt von Allen! Notwendig müßte sie sich in eine
unübersehbare Menge von haltungslosen Einzelkirchen zersplittern, wenn nicht ein starkes, mächtiges Band allesamt vereinigte, wenn nicht der Nachfolger des heiligen Petrus sie mit Festigkeit zusammenhielte.
Hätte nicht die Gesamtkirche ein Gesamtorgan, und in demselben ein in anerkannten Rechten und Verpflichtungen
sich offenbarenden Einfluß auf jeden ihrer Teile, so würden diese, sich selbst überlassen, bald einen einander entgegengesetzten, lediglich von örtlichen Verhältnissen bedingten Gang der Entwicklung nehmen, welcher eben deshalb der Weg zur Auflösung des Ganzen selbst wäre. Niemand wird so beschränkten Geistes sein, daß er nicht leicht begreifen sollte, daß alsdann auch die ganze Autorität der Kirche in Glaubenssachen verschwände, indem die einander selbst entgegengesetzten nicht für Ein und Dasselbe zeugen könnten, vielmehr nur gegen sich selbst sprechen würden. Die ganze Anschauung, welche die katholische Kirche von sich selbst, als einer sichtbaren, die Stelle Christi vertretenden Anstalt hat, verlöre sich, oder wäre vielmehr gar nie entstanden ohne ein sichtbares Haupt. Mit einer sichtbaren Kirche ist ein sichtbares Haupt notwendig gegeben. Um in einem besonderen Falle das Gesagte anschaulich zu machen, möge Folgendes dienen. Wenn die Universalkirche bei der Aufstellung der Bischöfe für ihre besonderen Kreise keinen entscheidenden Einfluß übte, also z.B. das Bestätigungsrecht nicht hätte, so würden unkirchliche Rücksichten unfehlbar Männer auf die bischöflichen Stühle bringen, welche den gemeinsamen Glauben in kurzer Zeit vielleicht gerade zu zerstören wagten, oder doch untergehen ließen; Dasselbe würde erfolgen, wenn sich die Gesamtkirche des Absetzungsrechtes nicht erfreute, im Falle der Hirt einer Partikularkirche seinen wesentlichen Pflichten nicht genügte, oder denselben etwa gar widerspräche. Aber die Universalkirche, was vermögte sie, ohne Organ, und das Organ, wenn ihm Niemand zum Gehorsam verpflichtet wäre?
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